Realme 9 Pro Plus im Test: Sehr gute Mittelklasse oder Einheitsbrei?
Als ursprünglich kleine Unterfirma von OPPO übernahm Realme in den vergangenen Monaten immer mehr an Dominanz. Das Realme 9 Pro Plus ist als Flaggschiff der Mittelklasse sogar ein gutes Beispiel, denn mit einer auf Papier sehr ähnlichen Ausstattung zum OnePlus Nord 2 schafft es das, den Preis auf unter 370 Euro zu drücken.
Im Vergleich zu seiner Stärke gibt es beim Realme jedoch auch einige Hürden. Diese wollen wir in den folgenden Zeilen einmal untersuchen.
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Design: Die unerwartete Schwachstelle
Das Design ist üblicherweise kein spektakulärer Punkt für Smartphones in diesem Preisbereich, denn alle fokussieren sich lieber auf die innere Ausstattung. Auch das Realme 9 Pro Plus ist nicht besonders gut, was das angeht.
Die Rückseite besteht aus Glas und die vorliegende blaue Version zeigt je nach Lichteinstrahl einen gelben Verlauf und ist durch Glitzer punktiert. Ich persönlich hätte das Design schlichter vermutlich schöner gefunden, aber vermutlich muss ein Mittelklasse-Smartphone durch solche Methoden hervorstechen können. Bei großflächiger Sonneneinstrahlung kann die Rückseite sogar die Farbe wechseln und wird bei dieser Farbe vollständig rot, was mich wirklich überrascht hat.
Neben einem Flaggschiff-Smartphone wie dem Realme GT 2 Pro bemerkt man den niedrigen Preis deutlich, besonders an der Verarbeitungsqualität. Der Rahmen ist vom Material her aus Kunststoff und nach dem heutigen Trend auch abgeflacht. Das Problem ist jedoch, dass die Rückseite des Realme 9 Pro Plus abgerundet ist, der Rahmen sehr weit hervorsteht und der Übergang zum Display daher miserabel ist, sodass sich der Rahmen insgesamt sehr komisch anfühlt. Durch eine Kunststoffschicht beim Übergang zum Bildschirmglas ist dieser auch nicht wie eine Linie, sondern eher unangenehm. Die Tasten befinden sich gegenüber und von den Druckpunkten merkt man auch, dass diese hochwertiger sein könnten.
Am auffälligsten ist jedoch sicherlich die Vorderseite. Diese stellt grundsätzlich kein großes Problem dar, jedoch fallen die asymmetrischen Ränder und das breite Kinn schon deutlich auf.
Kamerasystem: Die große Stärke
Aber um nicht nur von Negativem zu berichten, schauen wir mal auf das Kamerasystem des Realme 9 Pro Plus, dem ersten großen Punkt auf der eigenen Produktwerbung. Bemerkenswert ist es deswegen, dass der IMX766-Sensor verbaut wurde, den wir so auch aus dem OPPO Find X5 Pro kennen. Zusammen mit der sonst häufig ersparten optischen Bildstabilisierung kann die Hauptkamera auf Papier durchaus hervorstechen.
Farbwiedergabe und Dynamik am Tag
Am Tag sieht man bei den Ergebnissen im Vergleich zu einem OnePlus 8T oder Xiaomi 12X, welche zwei solide Kamerasysteme haben, in den meisten Fällen eine höhere Bildqualität. Wie typisch für Smartphones mit einem MediaTek-Prozessor, der in einem Smartphone nicht nur die CPU oder Grafikkarte, sondern auch Bildverarbeitungsprozessoren enthält, sind die Farben in bestimmten Bereichen jedoch sehr übergesättigt und Bilder aufgehellt, was häufig für einen recht billigen Anblick sorgt und Ausrutscher passieren häufiger. Anhand vieler getesteter Smartphones in Vergangenheit, die mit einem MediaTek-Prozessor allesamt ähnliches Verhalten aufwiesen, wie etwa das Xiaomi 11T, kann man mittlerweile sagen, dass die Optimierung dieser noch nicht so ausgereift ist. Das Problem ist im Vergleich zur Vergangenheit jedoch schon verbessert worden, da die guten Ergebnisse beim Realme 9 Pro Plus mittlerweile konstanter sind.
Nachtaufnahmen und Ultraweitwinkel
Der größte Vorteil des großen Sensors liegt jedoch ohne Frage bei Nachtaufnahmen, hier handelt es sich dann einfach um einen Hardware-Vorteil. Das Rauschen ist niedrig und die Bildqualität sowie Helligkeit hoch, selbst im Vergleich zu einem OPPO Find X5 sieht man kaum einen relevanten Unterschied. Ohne Überschärfung kann es teilweise sogar ein Galaxy S22 von Samsung übertreffen. Es wird einem schwer fallen, eine qualitativ bessere Hauptkamera unter 400 Euro als im Realme 9 Pro Plus zu finden.
Das heißt aber auch nicht, dass diese Kamera in allen Bereichen perfekt ist, zum Beispiel beim Ultraweitwinkel sehen wir einen deutlichen Abstrich. Die Bilder sind nicht unbenutzbar, aber besonders bei nicht idealen Lichtverhältnissen sieht man gerade an der schlechten Randqualität den miserablen Sensor. Nutzern des Smartphones würde ich eher zum Verwenden der Hauptkamera raten.
Konsumerlebnis: Unspektakulär gut
Im Vergleich zum Kamerasystem ist das Konsumerlebnis schon deutlich unspektakulärer.
Bildschirm
Das 90-Hertz-AMOLED-Display von Samsung auf der Vorderseite ist nicht definitiv nicht schlecht. Es kann nur deswegen nicht aus der Masse hervorstechen, da sich der hohe Standard bereits im Markt etabliert hat. Die Kalibrierung des Displays des Realme 9 Pro Plus ist etwas zu rötlich, was auch nicht mit der Einstellung des Weißabgleiches behoben werden kann. Die Helligkeit ist kein größeres Problem, sodass Inhalte bei Sonneneinstrahlung für den Preis durchschnittlich gut abgelesen werden können, aber die typischen Schwächen eines nicht flexiblen OLED-Displays, genauer gesagt regenbogenfarbige Verfärbungen bei seitlicher Betrachtung, sind auch hier nicht zu vermeiden und trotz der etwas höheren Touch Abtastrate von 360 Hertz habe ich subjektiv das Gefühl, dass die Latenz der Berührungsempfindlichkeit etwas größer ist, was auch schnelles Tippen recht unangenehm macht.
Haptisches Feedback
Besser ist das haptische Feedback über den Vibrationsmotor, dieser ist auch X-Achse, die hochwertigste Art von Vibrationsmotoren in einem Smartphone. Er ist natürlich nicht so hochqualitativ wie im OPPO Find X5 Pro, aber die O Haptics sind auch hier integriert. Das haptische Feedback ist nicht ganz so präzise, aber immer noch vergleichsweise angenehm. Mit der neuen ColorOS 12 Software, hier RealmeUI 3 genannt, gibt es auch eine gute Optimierung und vielseitigen Einsatz der Haptik. Es ist eine gute Sache, dass sich gute Vibrationsmotoren als ein relevantes Bauteil in den letzten Jahren immer mehr in den Smartphones etabliert haben, mittlerweile sogar bis zur Mittelklasse.
Entsperren
Der Fingerabdrucksensor im Realme 9 Pro Plus ist im Display platziert, nicht an der Seite, wie es Hersteller in diesem Preisgebiet sonst teilweise gerne machen. Diese Technik ist über die vergangenen Jahre bereits sehr ausgereift, sodass Entsperren heutzutage nur noch selten eine Sorge bei einem Smartphone darstellt. Auch wenn dieser typischerweise zu weit unten positioniert ist, kann man das zu dem Preis noch vollkommen akzeptieren.
Das Nutzungserlebnis
Prozessor
Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen dem OnePlus Nord 2 und Realme 9 Pro+ ist sicherlich der Prozessor, denn hier handelt es sich um den MediaTek Dimensity 920 SoC. Mit weniger Leistung als der Dimensity 1200 aus dem eigenen Hause ist er dennoch dazu in der Lage, genügend Performance für den Alltag zu bieten. Die RealmeUI 3.0 sorgt für eine gegenwärtig konstant flüssige Alltagsbedienung.
Software
Und nicht so wie bei OnePlus, welche die ColorOS Basis noch verstecken wollten, ist das bei RealmeUI sogar das Verhängnis. Die auf Papier geänderten Designelemente wurden nicht zu Ende gedacht und daher macht diese Benutzeroberfläche einen ziemlich unausgereiften Eindruck. Zum Beispiel in der Kamera-App und vielen anderen Oberflächen sind die grünen Farben an Buttons mit gelben Schriftzügen von Realme vermischt, aber andere Menüs sagen uns, dass diese eigentlich blau sein sollten. Ansonsten sind alle beliebten ColorOS Funktionen von Art+ über die schwebenden Fenster auch vorhanden.
Der Vorteil an OPPOs Benutzeroberfläche über Android ist, dass sie auf allen Geräten über alle Preisklassen hinweg gleich läuft und bei den Animationen und Co keine Unterschiede herstellt. Für Smartphones der teuren Preisklasse sorgt dies zwar dafür, dass sie sich weniger dynamisch und schnell als gewisse andere UIs anfühlt, aber in der Mittelklasse ist die saubere Optimierung durchaus ein Vorteil.
Akku
Der Akku ist mit 4500 Milliamperestunden genau so groß wie im OnePlus Nord 2. Er kann sich von der Laufzeit her ziemlich im durchschnittlichen Bereich positionieren. Hier fällt kein ineffizientes Verhalten des MediaTek SoC auf. Durch das schnelle Dart-Charging mit 60 Watt kann der Akku auch schnell wieder aufgeladen werden.
Fazit: Schwierige Sache…
Vor dem Auspacken des Realme 9 Pro Plus hatte ich ursprünglich extrem hohe Erwartungen, auch geschöpft durch das Testen des OnePlus Nord 2, die mit dem ersten Eindruck des Designes doch etwas enttäuscht wurden. Nach der Nutzung im Alltag kann man jedoch sagen, dass die Hauptkamera und innere Hardware das Gebotene wiedergeben kann. An sich betrachtet stellt das Realme 9 Pro Plus für unter 400 Euro einen sehr guten Deal dar.
Im Vergleich zum OnePlus Nord 2 aus dem Bruderkonzern fällt es mir zur Zeit dennoch schwer, diesem Smartphone eine besonders hohe Bewertung zu vergeben. Es handelt sich offensichtlich um ein Smartphone, welches gezielt für den Online-Markt konzipiert wurde, ganz anders als die von OPPO. So werden die wichtigsten Spezifikationen erfüllt, die gut auf Marketing-Blättern online aussehen. Aber bei den Punkten, die man erst nach dem Auspacken erfühlt, wie dem Design, werden die Kompromisse gemacht.
Prinzipiell überhaupt kein Problem, da man für einen günstigen Preis kein rundherum erfülltes Gesamtpaket erwarten kann, nur OnePlus hat mit der Nord-Reihe einen meiner Meinung nach noch besseren Ausgleich gefunden, weswegen dieses Modell hier zum Start zurecht günstiger bepreist war. Dadurch, dass das OnePlus Nord 2 jedoch schon lange auf dem Markt ist, ist es preislich zur Zeit mit verschiedenen Aktionen nicht teurer. Daher würde ich ein wenig warten, bis sich der Preisunterschied wieder hergestellt hat, damit man zum eigentlich sehr guten Realme 9 Pro Plus greifen kann.
Wir bedanken uns bei Realme Deutschland für die Bereitstellung des Realme 9 Pro Plus!