POCO F3 5G im Test: Flaggschiff-Killer neu definiert?
Das Pocophone F1 vor drei Jahren zeichnete sich schon damals als eine online-fokussierte Tochterfirma als sehr lohnenswert aus. Drei Jahre später sind wir nun beim POCO F3 5G angelangt.
Für eine unverbindliche Preisempfehlung von nur 349 Euro bietet es unter anderem ein 120Hz Samsung E4-Amoled Display, einen Qualcomm Snapdragon 870 SoC und vieles mehr. Wie es sich nach unserem Test geschlagen hat, erfahrt ihr in diesem Testbericht.
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Design – Besser als man denkt
Das POCO F3 wendet eine ähnliche Designsprache wie das Xiaomi Mi 11 an: Kleine in große Kreise beim Kameramodul. Man muss ihnen definitiv positiv anmerken, dass sie nun ein einheitliches Design ohne Inspiration durch andere Firmen geschaffen haben. Da das langgezogene Modul beim POCO F3 vom Seitenverhältnis mehr zum Smartphone selber passt, finde ich es sogar deutlich harmonischer. Die Kamera steht nicht so weit und unpassend wie beim Mi 11 hervor, sondern wirkt wie aus einem Guss.
Die Rückseite unseres Testgerätes besteht aus schwarzem Glas. Diese sieht zwar ziemlich hochwertig aus, zieht aufgrund der Hochglanzoptik jedoch magisch Fingerabdrücke an. Ich persönlich würde aus diesem Grund das saubere, weiße Modell bevorzugen. Der Rahmen an der Seite besteht aus Kunststoff, fühlt sich durch eine halb matte Oberfläche aber deutlich hochwertiger als beispielsweise im Samsung Galaxy A52 oder Find X3 Lite an. Man muss zudem positiv hervorheben, dass Xiaomi es geschafft hat, das Gewicht unter 200 Gramm und die Dicke unter acht Millimeter zu kontrollieren. Mit den passenden Rundungen liegt es doch ziemlich angenehm und leicht in der Hand.
Selbstverständlich sieht man jedoch auch die obligatorischen Abstriche für ein Mittelklasse-Smartphone. Die Übergänge zum flachen Display mit einem Übergangsrahmen aus Kunststoff könnten besser gelöst sein. Teilweise fühlen sie sich sogar scharfkantig an. Natürlich erkennt man die Marktposition des POCO F3 auch an der Vorderseite. Die Punch-Hole ist mit der kleinsten Größe auf dem Markt zwar wirklich extrem klein und verläuft in die Benachrichtigungsleiste in originaler Größe, man muss jedoch zugeben, dass die Ränder um das Display herum nicht überragend schmal sind. Lieber sollten wir in der Mittelklasse auf die Qualität des Bildschirmes achten.
Display – Anders exzellent
Dieses Jahr haben sich Smartphone-Displays besonders in der Mittelklasse sehr stark weiterentwickelt, denn es gibt viele Amoled-Displays mit hoher Bildwiederholrate zu günstigen Preisen. Das POCO F3 geht auf dem Papier sogar an die Grenzen: Samsung E4 Backlight-Material, 1300 Nits Peak-Helligkeit, 120 Hertz Wiederholrate, AMOLED-Panel.
Nach meinem realen Test handelt es sich qualitativ wirklich um ein sehr gutes Display. Die Auflösung von 1080p reicht im Alltag dank einer Samsung Pentile-Matrix noch vollkommen aus und 120 Hertz sind eine Sache, von der man nicht mehr wegkommt, da sich alles an Scrolling und Animationen deutlich flüssiger anfühlt. Die Helligkeit ist auf einem top Niveau und bei Dunkelheit gibt es kein unsauberes Rauschen. Jedes Panel wird vor der Auslieferung einzeln von Xiaomi für das beste Farberlebnis kalibriert.
Abgesehen von dem Material, das bei seitlicher Betrachtung für regenbogenfarbige Verfärbungen sorgt und der Auflösung, handelt es sich hier um ein flaggschiffwürdiges Display. Ja, ein OnePlus 9 ist mit flexiblem Material auf flachem Bildschirm noch etwas weiter voraus und bietet bessere Blickwinkel. Ja, ein Xiaomi Mi 11 unterstützt noch eine 1440p Auflösung sowie DC-Dimming, aber diese zwei Smartphones kosten auch doppelt so viel wie das POCO F3. Zu seinem Preis wird man kein besseres Display finden.
Sonstiges – Hat alles was man benötigt
Der Vorteil von Xiaomi lag schon immer darin, dass sie alle auszudenkenden Funktionen in ihre Smartphones einbauen. Für ein Smartphone im Preisbereich des POCO F3 ist das ein klarer Vorteil. So vermisst man weder an NFC für kontaktloses Bezahlen, Infrarot zum Steuern eines Fernsehers, WiFi 6 für schnelleres Internet oder Bluetooth 5.1. Der Vibrationsmotor ist zudem ein linearer X-Achse Motor. Er gibt sehr leichtes, angenehmes haptisches Feedback von sich. Auch wenn die softwareseitige Abstimmung noch einen Unterschied etwa zum Xiaomi Mi 11 zeigt, fühlt sich das POCO F3 nur von den Vibrationen angenehmer als ein Samsung Galaxy S21 Ultra und OPPO Find X3 Pro an, das ist dem Hardwareunterschied geschuldet.
Innerhalb der Mittelklasse ist Xiaomi mit dem Verbauen von Stereo-Lautsprechern für einen dreidimensionalen Klang schon ziemlich fortgeschritten. Die im POCO F3 klingen sogar richtig überzeugend, auch im Vergleich zu höherrangigen Smartphones wie dem OnePlus 9 ist der Unterschied kaum zu finden.
Erwähnen sollte man lediglich den USB-C Anschluss mit einer Übertragungsrate von USB 2.0.
Das POCO F3 verwendet einen seitlichen Fingerabdrucksensor, der ähnlich wie beim iPad Air 4 und anderen Xiaomi-Smartphones nicht in den Rahmen reingeht, sondern wie ein normaler Power-Button hervorsteht. Er überzeugt mit seiner hochwertigen Verarbeitung, die in der Produktion mehr Aufwand erfordert. Auch wenn die seitliche Lösung vielleicht nicht so modern wie die Fingerabdrucksensoren im Display wirken, ist er von der Geschwindigkeit vollkommen überlegen und noch schneller als etwa ein Mi 11 Lite oder Redmi Note 10 Pro. Es erfordert nur ein sehr kurzer Tipp und man ist schon in der Benutzeroberfläche. Das ist im Alltag sehr angenehm zu Verwenden.
Software – Ein anderes MIUI 12
Die Personen, die mich kennen, wissen, dass ich ein großer Fan der MIUI 12 Benutzeroberfläche von Xiaomi bin. Das liegt an einem großen Funktionsumfang, der Mühe in kleinen Details, aber besonders an der Optik und den Animationen. Beim POCO F3 wird, da es sich um ein POCO-Smartphone handelt, der POCO-Launcher vorinstalliert. Persönlich gefällt mir dieser überhaupt nicht, da durch ihn die Animationen sehr ausgebremst werden. So verschwindet eine Applikation beim Schließen dieser einfach mitten im Bildschirm. Das zerstört für mich eines wichtiger Argumente für MIUI. Leuten, die keine langen Animationen mögen, sollte das aber zusagen.
Abgesehen davon ist MIUI 12 nach wie vor das typische MIUI 12. Es zeichnet sich durch eine einfach zu verstehende Optik aus Modulen, vielen zusätzlichen Funktionen wie etwa schwebenden Fenstern, aber auch ein wenig fehlender Optimierung aus. Die Bugs mit zum Beispiel abstürzenden Applikationen, von denen anfangs stark berichtet wurde, sind mir mit der aktuellen Softwareversion MIUI 12.5 nicht aufgefallen. Man liest noch von einigen kleinen Problemen wie das Dimmen des Bildschirms, die mich jedoch nicht gestört haben. Das Verhalten war ziemlich stabil.
Performance – Zentrale Stärke
Die Geschichte mit dem Qualcomm Snapdragon 888 SoC hat sich dieses Jahr als etwas unangenehm herausgestellt. Daher stellte Qualcomm zum ersten Mal auch einen Prozessor für die Oberklasse vor, den Snapdragon 870. Der zentrale Vorteil vom POCO F3 ist das Anwenden dieses starken Prozessors, der durch seine hohe Performance nicht nur aktuell flüssige 120Hz auf den Bildschirm bringen, in Spielen überzeugen, sondern auch eine hohe Zukunftssicherheit bieten kann. Der Prozessor ist letztendlich der Aspekt, der entscheidet, ob ein Smartphone mit seinen Reserven nach beispielsweise drei Jahren noch zu gebrauchen ist. Das erkennt man alleine daran, dass ältere Smartphones mit bis heute gutem Ruf allesamt einen starken SoC anwendeten.
Trotz der wie bereits betonten hohen Alltagsperformance auch ohne die Pracht der 120 Hertz MIUI 12-Animationen muss man jedoch erwähnen, dass die Software beim Konstanthalten der hohen Bildwiederholrate noch Verbesserungspotenzial hat. Durch das Verbauen eines 90- oder 120 Hertz Bildschirms gelangt man automatisch in die Verantwortung, diese auf den Bildschirm zu bringen, damit der Nutzer davon einen sichtbaren Mehrwert hat. Einige Apps werden bei der Verwendung vom POCO F3 jedoch auf 60 Bilder pro Sekunde gesperrt. Das fühlt sich bei der Verwendung sehr unangenehm an. In diesem Bereich muss man nach wie vor auf Samsung zählen. Schlechter als das POCO F3 sind mir nur Smartphones von OPPO mit ColorOS im Kopf geblieben.
Kritiseren muss ich jedoch wieder, dass die Basisversion des Smartphones bei 6 Gigabyte Arbeitsspeicher beginnt, die nach meiner Erfahrung nicht für ein flüssiges Multi-Tasking mit der MIUI 12 Benutzeroberfläche ausreichen. Ab der fünften Applikation werden Zwischenstände im Hintergrund geschlossen. Ich empfehle also eher zur Version mit 8 Gigabyte RAM.
Akku – durchschnittlich
Das POCO F3 5G setzt auf eine Akkukapazität von 4520 mAh. Ohne den Snapdragon 888 als Prozessor sind die Laufzeiten somit spürbar besser als beim Xiaomi Mi 11, jedoch muss man weiterhin das helle 120 Hertz Display mit starker Leistung bedenken. In Realität komme ich somit im Alltag auf 5,5 bis 6 Stunden Displaynutzung. Dies sind schlechtere Werte als bei vergleichbaren Konkurrenten mit größerer Kapazität wie das Redmi Note 10 Pro. Man kommt mit dem POCO F3 über einen Tag, mehr ist aber auch nicht möglich.
Bei nicht so langer Akkulaufzeit muss selbstverständlich mit dem Aufladen nachgeholfen werden. Hier unterstützt das Smartphone eine Geschwindigkeit von ganzen 33 Watt, den vielleicht besten 33 Watt auf dem gesamten Smartphonemarkt, da das vollständige Aufladen genau so lange wie bei einem 55 Watt aus eigenem Hause dauert. Der Nachteil einer niedrigen Wattanzahl liegt viel mehr beim schnellen Auftanken mit niedriger Prozentzahl. Man zählt im Alltag ja nicht die Minuten bis zur vollständigen Aufladung. Auch von dieser Perspektive betrachtet gehen 33 Watt jedoch noch vollkommen in Ordnung und das POCO F3 weist keine Schwäche auf.
Kamera – Gespart, aber nur auf Papier
Die Kamera ist auf Papier der Punkt, bei dem das POCO F3 5G endlich sparen konnte. Der Sony IMX582 Sensor als Hauptkamera ist dabei der gleiche Sensor wie aus dem Mittelklasse-Smartphone Xiaomi Mi 9T des Jahres 2019. Der Vorteil liegt darin, das Xiaomi keine unnötige Kamera verbaut. Sowohl die Ultraweitwinkelkamera für mehr Brennweite als auch die qualitativ beste Makrokamera auf dem Markt sind gut zum Verwenden.
Am Tag würde ich das Verhalten der Hauptkamera als sehr neutral einstufen, denn sie ist nicht besonders gesättigt, sondern eher realistisch. Die Schärfe geht vollkommen in Ordnung. Selbst bei schlechteren Lichtbedingungen sind die Aufnahmen noch passabel und deutlich besser als man von diesem Sensor erwarten würde. Selbstverständlich sieht man noch den Unterschied zu höherrangigen Smartphones, diese sind jedoch kleiner als man denkt.
Im Vergleich ist die Ultraweitwinkelkamera weniger überraschend. Am Tag bietet sie zwar mehr Sichtfeld, jedoch empfehle ich aus qualitativen Gründen, bei schlechteren Lichtbedingungen zur Hauptkamera zu greifen.
Fazit – Warum also konkurrenzlos?
Man kann sagen, die Flaggschiffe von Xiaomi seien aufgrund von fehlender Balance noch nicht ganz so erfolgreich, aber dann muss man ihnen den Sieg in der Mittelklasse im Bereich Preis/Leistungs-Verhältnis einfach gestehen. Das POCO F3 5G ist der wichtigste Vertreter davon, denn es erfüllt genau die Anforderungen und Hoffnungen an Xiaomi in diesem Preisbereich, fügt dabei sogar noch einige Extras hinzu.
Das gesamte Design ist von der Hochwertigkeit natürlich noch nicht auf dem Niveau eines Xiaomi-Flaggschiffes, aber optisch und haptisch nicht billig. Ich finde sogar, es sieht ziemlich gut aus. Das Display ist eine große Stärke des POCO F3. Abgesehen von dem Material und der Auflösung ist das ein Display, das man für den dreifachen Preis verkaufen könnte. Wer achtet für eine unverbindliche Preisempfehlung von 349 Euro noch auf ein flexibles OLED oder 1440p? Die Kamera ist auf Papier zwar ein Abstrich, schlägt sich nach unserem Test jedoch ziemlich gut. Dazu vermisst man nicht einen flaggschiffwürdigen Vibrationsmotor sowie gute Stereo-Lautsprecher. Beim wichtigsten Punkt, dem SoC, der für viel Zukunftssicherheit sorgt, hat das POCO F3 ebenfalls eine Schüppe draufgelegt, denn der Snapdragon 870 ist ein aufgebohrter 865 Plus des Vorjahres und damit nicht nur eine Liga höher als die Snapdragon 765G, 732G oder 750G, die die Konkurrenz verwenden.
Insgesamt bin ich also sehr begeistert vom POCO F3 5G, da man so ein gutes Mittelklasse-Smartphone nicht alle Tage sieht. Abgesehen von dem fehlenden hochwertigen Design wäre es für mich absolut kein Problem, das Gerät mit Flaggschiff-Anforderungen als täglichen Begleiter zu nutzen. Von Kaufberatung möchte ich erst gar nicht sprechen. Von 300 bis 400 Euro kann ich es bedenkenlos weiterempfehlen, besonders wenn du nicht genau deine Anforderungen kennst. Ich rate jedoch eher zur Version mit 8 Gigabyte Arbeitsspeicher, die deutlich mehr Reserven für Multi-Tasking bietet.