Land Rover Defender 110 V8 im Test: Der König im Gelände
Der Land Rover Defender 110 V8 ist eine eindrucksvolle Mischung aus traditioneller Geländegängigkeit und moderner Leistungskraft. Seit 2008 gehören Land Rover und Jaguar zu Tata. Mit dem Defender haben wir unser erstes Auto vom indischen Konzern testen dürfen. Wie wir ihn fanden, lest ihr im folgenden Testbericht.
Schon auf Bilder sieht der Defender mächtig aus, in Person dann noch mal eine Schüppe eindrucksvoller. Auch mit dem Inneren muss man sich eine Zeit lang auseinandersetzen, um alles zu verstehen. Dazu aber auch im Folgenden mehr.
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tl;dr
Design
Wenn ich mich als knapp 1,90 m großer Mann aus dem Stand auf den Sitz gleiten lassen kann, überrascht mich das schon. Doch das ist in dem 5,02 Meter x 2,11 Meter x 1,97 Meter (Länge inkl. Reserverad x Breite x Höhe) genauso normal, wie dass es extra eine Fahrwerkshöhe namens „Einstiegshöhe“ gibt. Gehen wir von vorne nach hinten, so fallen viele grade Linien in der Karosserie auf. In der Front gehen diese von den geraden Lüftungsschlitzen aus, welche nach unten hin gebogen unter die Karosserie gehen, um einen Böschungswinkel von 37,5 Grad zu ermöglichen. Auch sehr rechteckig sind die Scheinwerfer eingefasst. Hier bekommt man eine wirklich einzigartige Lichtsignatur bestehend aus einem Halbkreis und zwei kleinen Quadraten, die als Tagfahrleuchten und Blinker fungieren. Die vielen Kanten lassen die sowieso sehr präsente Front, noch aggressiver dastehen und passen so in das Gesamtbild des Fahrzeugs.
An den Seiten finden sich zwei Vollformat-Spiegel, aus denen im Dunklen eine außergewöhnlich große „Defender“ Projektion auf den Boden gestrahlt wird. Jeweils ein V8 Badge an der unteren A-Säule und zwei beleuchtete in den vorderen Einstiegsleisten darf natürlich auch nicht fehlen. An der C-Säule bringen die altbekannten Panels mit Land Rover Logo nochmal etwas Struktur in die Seitenansicht. Über den Panels, die die Sicht überhaupt nicht behindern, finden sich zwei kleine Dachfenster, die an Oberlichter erinnern. Diese Fenster bringen bei geschlossenem elektrischen Schiebedach trotzdem noch angenehmes Licht ins Auto und fielen mir auch optisch sehr positiv auf. Da unsere Version des Defender, die Carpathian Edition war, fällt einem auch der gelungene Mix aus Matten „Carpathian Grey“ Lack und hochglänzenden schwarzen Elementen auf. Bei der Größe des Fahrzeugs sind die 22 Zoll Felgen mit „Defender“ Schriftzug auch nur die Kirsche auf der Torte.
Am Heck findet sich das bekannte Ersatzrad auf der seitlich angeschlagenen Heckklappe, die dadurch zum Öffnen etwas Kraft benötigt und gerne mal bei Gefälle wieder zufällt, was nicht so komfortabel ist. Optional kann das Ersatzrad auch eine Box bekommen. Persönlich finde ich das „rohe“ Rad auf Felge aber etwas hübscher als in einer Box versteckt. Unter der Heckklappe sind zwei offene Abschleppösen schnell zugänglich, falls man sich denn doch mal festgefahren hat. Mit einer geraden Linie in der Karosserie fährt man weiter runter zu den 4 Endrohren, aus denen ein herrlich rauer V8 Klang ertönt. An den Seiten leuchtet die aus vier einzelnen Elementen bestehende bekannte Mischung aus Tagfahrlichtern und Blinkern quadratisch auf.
Innenraum
Im Interieur findet sich eine grade Waage zwischen hochwertiger Belederung und rustikalen offenen Elementen. Die perforierten Sitze mit angenehm weicher Kopfstütze sind im vorderen Bereich beheizt und gekühlt, im Fond immerhin noch beheizt. Das Armaturenbrett ist durchzogen mit Ablageflächen, welche alle praktischerweise vom Ambientelicht beleuchtet werden. Haltegriffe zum Einsteigen und festhalten im Gelände, wie auch ein langer DEFENDER-Schriftzug sind hier ebenfalls eingebracht. Alles wirkt sehr robust und es knackt und knarrt nichts. Allerdings muss gesagt werden, dass grade hier ein paar kleine Spaltmaße zu sehen waren, welche bei so einem Preis eigentlich nicht sein dürfen.
Im Fond hat man neben 2 weiteren Klimazonen auch 2 weitere USB-A-Ladeanschlüsse und eine Sitzheizung. Die Sitze sind an sich auch hier sehr bequem, leider nur gibt es trotz Haltegriffe kaum Seitenhalt vom Sitz, was grade im Gelände von Nachteil sein kann. Positiv ist aber, dass man die Sitze ebenerdig nach unten klappen kann, um einen noch größeren ebenen Laderaum zu schaffen.
Apropos Laderaum, zu diesem gelangt man durch Aufziehen der durch das Ersatzrad doch recht schweren Heckklappe, welche ungünstigerweise schon im leichten Gefälle nicht von alleine offenbleibt. Die geriffelte Ladefläche wird von einem Tuch verdeckt, welches bei Bedarf schnell demontiert und kompakt gefaltet werden kann. An Kapazität für schweres Gerät sind im Kofferraum üppige 786 Liter bzw. 1.875 Liter bei umgeklappter Rückbank vorhanden. Ein besonderes Feature, welches das Luftfahrwerk bietet, ist die Möglichkeit, die Ladefläche über den Kofferraum auf- und abzusenken, um ein einfacheres Be- und Entladen zu garantieren. Auch die Anhängerkupplung, welche das aufliegende Gewicht messen kann und eine maximale Anhängelast von 3.500 kg hat, ist hier elektrisch aus- und einklappbar. Für Tierfreunde gibt es auch im Laderaum eine über das Infotainmentdisplay aktivierbare Klimazone, um es unseren Fellfreunden gemütlich zu machen. Gefehlt hat uns hier nur eine intensivere Beleuchtung im Dunkeln.
Eine Erwähnung wert ist auch das Lenkrad im Defender. Es ist rundum mit Alcantara bezogen und ganzflächig beheizt. Die Knöpfe werden je nach Einstellung auf dem digitalen Kombiinstrument anders beleuchtet, wodurch entweder Steuerkreuz- oder Multimediasteuerung zum Vorschein kommt. Die Größe des Lenkrads und das 4-Speichen-Design tragen natürlich zum allgemeinen Bild des Fahrzeugs bei, können aber je nach bevorzugter Sitzposition auch mal an den Oberschenkeln anstoßen. Für die Sitzposition und dem elektrischen Lenkrad gibt es 3 Memory-Speichermöglichkeiten, wodurch auf Knopfdruck drei Fahrer und Beifahrer ihre eigenen Einstellungen anrufen können. Das 12,3 Zoll große Kombiinstrument kann nach Belieben eingestellt werden, wodurch die (Apple-)Karte, Offroad Anzeigen, Medien und viel mehr dargestellt werden können.
Mittelkonsole
Die Mittelkonsole ist ebenso rustikal gehalten, wie es auch an den Türtafeln der Fall ist – mit vielen offenen Schrauben und unverkleideten harten Kunststoff. Die Mittelkonsole kann aber noch viel mehr. Hier finden sich zwei Becherhalter, eine induktive Ladefläche zusammen mit USB-A und USB-C Lademöglichkeiten und im unteren Bereich eine Menge Stauraum mit einer Gummischicht, damit nichts verrutscht. Das eigentliche Highlight findet sich aber unter der um 180 Grad zu öffnenden Armauflage. Ein beleuchteter und in zwei Stufen einstellbarer Kühlschrank sorgt für kühle Getränke im heißen Nirgendwo.
Infotainment: Pivi Pro
Das 11,4 Zoll große Infotainmentdisplay kann mehr als nur Navi und Medien. Zunächst einmal kann man jede der Kacheln und dessen verbundene Funktion nach Belieben anordnen. Auf den ersten Blick sieht man schon in der Vorschau die wichtigste Information, möchte man detailreichere Aussagen, beispielsweise über die vom Sensor gemessene aktuelle Wattiefe oder der Fahrwerksbeanspruchung, genügt ein Tipp auf das ab und zu etwas ruckelige Display. Auch kann man die 360°-Kamera von hier aus in einem beliebigen Winkel feststellen. Die Rückfahrkamera kann übrigens anzeigen, ab wann man zu nah an der Wand ist, um die Heckklappe öffnen zu können und warnt ein weiteres Mal, bevor der Ersatzreifen die Wand berührt. Das durchaus gute von Meridian stämmige Soundsystem hat gute Tiefen und klare Höhen, ist mit einem Bowers & Wilkins- oder Harman Kardon-System aber nicht zu vergleichen. Eine kabellose Verbindung zu Apple CarPlay und Android Auto ist natürlich auch möglich. Ebenfalls ich Amazon Alexa softwareseitig integriert.
Appsteuerung per InControl-Konto
Für unterwegs gibt es die Land Rover Remote App, um mit dem Off-Roader vernetzt zu bleiben. Bekannterweise lassen sich Autos mit App auf- wie abschließen und dessen Status einsehen. Auch die Klimaregelung kann man bei den meisten Herstellern per App vornehmen. Interessant ist bei Land Rover aber die Funktion, sich Reiserouten und Reisedetails per Excel-Tabelle zuschicken lassen zu können. Dieses digitale Fahrtenbuch kann so manch Benutzer sicherlich etwas Arbeit abnehmen.
Fahreindruck und Verbrauch
Dass die Aufmerksamkeit einem im Straßenverkehr garantiert ist, muss man wohl nicht erwähnen. Einen halben Meter größer ist der Defender als ein VW Golf. Aus diesem Grund gibt es in der Haifischflosse am Heck des Fahrzeugs auch eine eingebaute Kamera, die einem auch bei beladenem Kofferraum den Motorradfahrer im digitalen Rückspielgel zeigt. Bei dem kernigen V8 Sound und zur Schau gestelltem Ersatzrad halten die meisten Verkehrsteilnehmer aber freiwillig schon etwas mehr Abstand. Jetzt wollen wir uns aber auf uns als Fahrer konzentrieren. Der Defender liegt trotz Dimensionen jenseits vom normalen Stadtauto sauber auf der Straße und fährt sich dank 8-Gang-Automatik sportlich wie entspannt. In Erinnerung ist mir ein Parkhaus geblieben, durch welches der Defender in normaler Fahrhöhe nicht gepasst hätte, umso dankbarer war ich für die Option, die niedrigere Einstiegshöhe per längerem Tastendruck festsetzen zu können. In die Waschanlage nebenan konnte ich trotzdem nicht fahren, da das Fahrzeug dafür einfach zu breit war und kein Knopf oder Fahrwerk kann einem nun mal dabei helfen.
Natürlich möchte der allradgetriebene 5.0 Liter V8 Kompressor auch versorgt werden. 14 Liter auf 100 Kilometer nennen sich hier sparsames Fahren, mit 16 Liter darf man aber im Normalbetrieb rechnen. Dementsprechend gibt es aber auch ein gerechtes Tankvolumen von 90 Litern. So sind mathematisch 563 Kilometer mit einer Tankfüllung zu schaffen. Tritt man den linken Fuß durch, so steht die digitale Tachonadel dank den 525 PS nach 5,4 Sekunden auf 100 km/h und bleibt bei spätestens 240 km/h stehen.
Mit den Kameraassistenten, welche sogar bei höheren Geschwindigkeiten sichtbar bleiben und unter den Motorraum blicken lassen, weiß man jederzeit, welches Hindernis vor einem liegt. Auch Anzeigen zum Neigungswinkel und Wassertiefe nehmen einem die meisten Ängste und lassen den Fahrer sich das mit dem Fahrzeug trauen, wofür es auch gedacht ist. Hindernisse zu überwinden wird natürlich auch dank des einstellbaren Luftfahrwerks und der Geländeuntersetzung einfacher. Leider gibt es allerdings keinen wirklichen Autopiloten, so muss man sich mit dem Abstandstempomaten und dem recht gut funktionierenden Spurhalteassistent zufriedenstellen. Der Tempomat, welcher im Gegensatz zur großen Mehrheit aber schon ab 16 km/h greift, kann hier und da von Vorteil sein.
Fahrmodis
Es gibt insgesamt 10 Fahrmodis, die teilweise auch das Angezeigte im Head-up-Display beeinflussen. Einer davon ist der „Auto-„Modus, welcher eigenständig den passenden Modus für den momentanen Untergrund wählt. Dies ging mir aber etwas zu langsam, wodurch ich lieber selbst den richtigen Modus wählte. Auch kann man sich seine Modis selber konfigurieren und Einstellungen wie Differenzialsperre, Motoransprechverhalten, Lenkhärte, Traktionskontrolle und mehr individuell vornehmen. Die restlichen Fahrmodis füge ich folgend als Bilderstrecke ein. Da sie alle tun, was beschrieben wird, ist das bei der Menge übersichtlicher.
Datenblatt
Danke an Land Rover für die Bereitstellung des Land Rover Defender 110 V8 für diesen Testbericht.