BYD HAN im Test: Sportlich, elegant, überraschend
Mit dem BYD HAN haben die Chinesen auf unserem Markt ihre erste Premium E-Limousine im Sortiment – also noch eine Spur wertiger als das „Flaggschiff“ BYD SEAL. In unserem TechnikNews Test zeigt der Ha(h)n im Korb aber ganz deutlich, dass sich die Konkurrenz hierzulande echt warm anziehen muss.
In aller Kürze: Sportlicher, eleganter und besser ausgestattet geht bei BYD nicht. Das Top-Modell im futuristischen Look zeigt ganz deutlich, dass die Zeit der – gern behaupteten – „billigen China-Autos“ vorbei ist. Die deutschen Autohersteller können sich nicht mehr auf ihren Lorbeeren ausruhen, sondern werden unvermeidlich – besonders den Preis – angleichen müssen.
BYD bietet für knapp 71.190 Euro (inkl. 0 % NoVA und 20 % MwSt.; Österreich) bzw. 74.790 Euro (Emerald Edition) viel Auto. Wären da nicht die sehr enttäuschenden Assistenzsysteme und ihre Signaltöne, die teilweise schlecht aufgebaute Menüführung und die vergleichsweise langsame Ladegeschwindigkeit bis zu maximal 120 kW DC, hätte man hier ein perfektes Fahrzeug. Leider gibt es auch noch einzelne Software-Probleme, die BYD besonders für den europäischen Markt in den Griff bekommen muss. Es ist aber davon auszugehen, dass BYD hier schon bald nachbessern wird – und dann kann sich die Konkurrenz warm anziehen.
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Futuristisch & edel – außen
Mit einer Länge von knapp 5 Metern und einer Breite von 1,9 Metern macht die Limo echt was her. Die automatisch aus- und einfahrenden Türgriffe lassen das Auto noch schnittiger wirken, als es ohnehin schon ist. Zur Auswahl steht die Limousine insgesamt in sechs Farbvarianten: Space Black, Time Grey, Snow White, AI Blue, Emperor Red und Mountain Green (nur Emerald Edition).
Erwähnenswert ist auch der fehlende Frunk, was darauf schließen lässt, dass es sich beim HAN um einen umgebauten Verbrenner handeln dürfte.
Hochwertig auf Top-Niveau – innen
Auch im Innenraum hievt BYD beim HAN die Verarbeitung auf Top-Niveau und braucht sich nicht vor bekannten „Premium-Marken“ zu verstecken. Die Sportsitze im Innenraum, welche sich sogar auf der Rückbank in der Neigung verstellen lassen, machen echt was her. Auch ein Highlight ist die Sitzheizung und -lüftung auf allen vier Sitzen. Etwas dezenter hätte man die Auswahl der Tasten auf dem Lenkrad und den Hebeln angehen können – hier sind so viele Dinge drauf, die während dem Fahren wohl nie gebraucht werden. Das erweckt etwas den Eindruck, als hätte der Hersteller versucht, alles unterzubringen, was nur geht. Hingegen ist lobenswert, dass BYD am Lenkrad auf physische, statt Touch-Knöpfe setzt, die eine deutlich bessere Haptik bieten.
Für den Fahrer gibt es außerdem noch ein Head-up-Display, welches sich individuell anpassen lässt und bereits ab der Basis-Ausstattung des BYD HAN enthalten ist.
Entertainment & Infotainment
Mein persönliches Highlight im Innenraum ist das große Entertainment-Display, welches sich je nach Wunsch horizontal oder vertikal drehen lässt. Das größte Manko ist hierbei die Software selbst, welches dem HAN nicht das edle Feeling verleiht, welches er sonst in allen weiteren Bereichen ausstrahlt. Zu viel Text, zu kleine Elemente, viel zu viel auf einen Blick – eine Auto-Software-Oberfläche muss aufgeräumt wirken, was aus meiner Sicht hier leider nicht der Fall ist.
Die Oberfläche wirkt umständlich, verschachtelt und zusammengekleistert. Zur Aktivierung der Sitzheizung sind es beispielsweise vier Schritte – das ist zu viel für solch ein essenzielles Feature. Darüber hinaus vermittelt das Display zu viel Android-Tablet, statt Auto-Infotainment. Verbindet man sein Smartphone kabellos und wechselt beispielsweise zu Apple CarPlay, gibt es dem HAN sofort den edleren Look zurück. Schade: Android Auto und Apple CarPlay unterstützen nicht das Drehen des Displays, sondern sind nur horizontal nutzbar.
Touchscreen im Fond – DJ auf der Rückbank
Überzeugend ist das Dynaudio-Soundsystem mit Subwoofer im Kofferraum, welches ordentlich Power liefert und das Musikhören echt zum Genuss macht. Übrigens spielt beim BYD HAN nicht nur vorne die Musik, sondern es können auch die Insassen auf der Rückbank DJ spielen. So können über ein Display in der herunterklappbaren Mittellehne die aktuellen Medien geändert, die Klimaanlage geändert, das Schiebedach gesteuert und das Innenlichtambiente angepasst werden. Es empfiehlt sich aber, das Display lieber nicht seinen Schützlingen oder – aus eigener Erfahrung – Freunden zu zeigen, da es vom Fahrer nicht gesperrt werden kann und sonst in kürzester Zeit von der Rückbank aus alles Mögliche gesteuert wird.
Sportlich & sparsam
Natürlich sieht der BYD HAN nicht nur sportlich aus, sondern ist er auch – bei einer Leistung von 380 kW (517 PS) beschleunigt er von 0 auf 100 km/h in 3,9 Sekunden. Dies vermerkt der Hersteller auch ganz prominent am Heck hinten rechts – warum auch immer. Die Maximalgeschwindigkeit liegt weiters bei 180 km/h. Je nach Fahrmodus gehen auch die Räder mehr oder weniger durch und die Beschleunigung variiert. Sagen wir so, im Sport-Modus zu fahren, macht mit dem HAN am meisten Spaß, treibt aber dementsprechend auch den Verbrauch nach oben. Ansonsten liegt unser Durchschnittsverbrauch nach einem Autobahn-, Landstraßen- und Orts-Mix bei rund 19 bis 21 kWh auf 100 km, was einer realen Reichweite von rund 410 bis 460 Kilometern entspricht. Der Hersteller spricht von 521 Kilometern (lt. WLTP kombiniert).
Das Fahrwerk ist eher sportlich, kann aber mit der Luftfederung Unebenheiten elegant ausgleichen. Der Kurvenhalt weiß ebenso zu überzeugen wie die Bremsen mit Brembro-Bremssätteln. Die Annahme am Strompedal ist auch zügig – genau so, wie man es erwarten würde. Hier macht BYD alles richtig und liefert nicht nur optisch, sondern auch im Fahrverhalten, eine Sport-Limo.
Als kleines Gimmick gibt es am Fahrercockpit-Display eine „Zeitschaltuhr“ – etwas schlecht übersetzt, soll aber bedeuten, dass die Zeit vom Stand bis 100 km/h gestoppt werden kann und der HAN dann das Maximum an Performance herauszuholen versucht. Lobenswert, dass auch die Stärke der Rekuperation angepasst werden kann. Diejenigen, die andere Elektroautos gewöhnt sind, werden sich in der höchsten Stufe vermutlich am meisten wohlfühlen.
Und wird es beim Fahren dunkel draußen, gibt es ein automatisches Fernlicht, welches leider nur ab- oder aufblenden kann und nicht einzelne Autos maskiert. Das Kurvenlicht bietet besonders beim Abbiegen oder kurvigen Straßen einen tollen Blick an den Straßenrand.
Schwache Ladeleistung, dennoch schnell voll
Die Ladeleistung des BYD HAN bleibt hinter den Erwartungen zurück, besonders im Vergleich zu einigen Konkurrenten, die bereits deutlich schnellere Ladezeiten bieten. Bei 120 kW DC ist hier momentan Schluss – was bei der 86 kWh großen Batterie echt enttäuschend ist. Dafür hält er diese Ladeleistung bei 120 kW bis knapp über 60 Prozent durch und lädt bis über 80 Prozent mit 100 kW weiter, was echt verwundert und diesen Punkt somit zum Teil wieder wett macht. Ein Ladevorgang dauerte in unserem Test von 0 bis 100 Prozent knapp 1,5 Stunden, von 30 bis 80 Prozent dauert es laut Herstellerangabe rund 30 Minuten. Diesen Wert konnten wir im Test knapp nicht erreichen (rund zwischen 32 und 40 Minuten).
Enttäuschende Assistenzsysteme
Am meisten haben mich die Assistenzsysteme im HAN enttäuscht, sodass ich sie im Laufe des Tests immer weniger genutzt habe. Angefangen von schrillen Warntönen bis hin zum ruckeligen Lenkassistenten – aber der Reihe nach. Insgesamt kommt die Limousine mit zahlreichen Assistenten, die wir auch schon so von der Konkurrenz kennen. Ein adaptiver Tempomat, Lenkassistent und Spurwechselassistent sind in der heutigen Zeit keine Weltneuheit mehr. Umso enttäuschender, dass BYD diese im HAN nicht in der erwarteten Qualität liefern kann.
- So erkennt der adaptive Tempomat teilweise Hindernisse oder Autos auf der Nebenspur auf der Autobahn und bremst teilweise sehr ruckartig auf deren Geschwindigkeit ab – obwohl diese nicht auf die eigene Fahrspur ragen, wohlgemerkt. Wechselt ein anderes Fahrzeug knapp vor dem HAN die Spur, bremst dieser ebenfalls sehr scharf und sorgt bei den Mitfahrern für eine kurze Schrecksekunde. Abgesehen davon – in Ordnung und hält die eingestellte Geschwindigkeit korrekt ein.
- Passend dazu gibt es eine Verkehrszeichenerkennung, die die aktuelle Höchstgeschwindigkeit auf das Cockpit-Display bringt. Diese hatte aber mehr inkorrekte, als korrekte Geschwindigkeitslimits angezeigt. Außerdem übernimmt der Tempomat die erkannte Geschwindigkeit nicht automatisch.
- Mit an Board ist auch der gesetzlich vorgeschriebene EU-Geschwindigkeitswarner. Dieser piepst aber nicht nur kurz dezent, sondern lässt das Navi sprechen – „Sie überschreiten die Höchstgeschwindigkeit“. Auch nicht das Gelbe vom Ei, noch dazu, weil die Erkennung der Verkehrszeichen nicht optimal funktioniert.
- Der Lenkassistent funktioniert auf der Autobahn grundsätzlich gut, kann aber keine Kurven abbremsen und schlenkert immer wieder ziemlich in der Spur. Das mittige Halten in der Spur funktioniert auch relativ selten, eher orientiert sich das System links oder rechts am Spurrand.
- Unpassend sind auch die schrillen Warntöne, die jeder kennt, wenn einige Sekunden lang zu wenig gelenkt wurde bzw. die Hände nicht am Lenkrad waren. Diese lassen den Fahrer mehr erschrecken, als ihn auf etwas hinzuweisen und verleiht dem ganzen einen „billigen“ Touch.
- Arbeiten lässt sich auch noch der Qualität der Rückfahrkamera, die eine tolle Ansicht bietet, aber noch etwas schärfer sein hätte können.
BYD HAN Executive vs. Emerald Edition
Im Test war öfters von der Executive und der Emerald Edition des BYD HAN die Rede. Doch, wo liegen die Unterschiede? Immerhin unterscheiden sich die beiden Ausstattungsvarianten um rund 3.600 Euro. Grundsätzlich startet der BYD HAN in der günstigsten Variante (Executive Edition) bei 70.800 Euro bzw. 74.400 Euro (jeweils inkl. 0 % NoVA und 20 % MwSt.; Österreich) in der Emerald Edition. Dazu gibt es noch das Österreich-Paket mit Unterbodenversiegelung, Velourmatten, Ladekabel und V2L (Vehicle-to-Load)-Adapter, welches jeweils 390 Euro zusätzlich kostet. So liegt der Gesamtpreis bei 71.190 Euro bzw. 74.790 Euro.
Sieht man sich den Produktfolder genauer an, fallen die Unterschiede recht minimal aus. Beispielsweise bei den Sitzbezügen, welche in der Executive Edition aus dunkel- oder hellbraunem Leder mit Holzzierelementen bzw. rotem Carbon, während sie bei der Emerald Edition aus grünem Velours und Leder, mit Zierelementen aus grünem Carbon bestehen. Unser Testfahrzeug wurde somit in der Executive Edition ausgeliefert – die Zierlemente aus Holz sind an den Bildern oben zu erkennen.
Weiterer Unterschied besteht beim kabellosen Laden für Smartphones, welches bis zu 15W bzw. 50 Watt in der Emerald Edition unterstützt. Ansonsten sind alle Highlights, wie das Dynaudio-Soundsystem, Head-up-Display, Glasdach und das drehbare Display in allen Ausstattungsvarianten enthalten. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Modellvarianten, mit mehr bzw. weniger Performance oder unterschiedlich großer Batterie.