Wie 24 Stunden ohne Push-Benachrichtigungen Dein Leben um einiges entspannter machen – der Selbstversuch
Ernsthaft – klingt wie eine Clickbait-Überschrift, ist aber keine. Ein Tag ohne Push-Benachrichtigungen? Kann man sich in unserer digitalen Welt fast nicht mehr vorstellen. Ein Bericht über einen Tag, wo ich von „Push“ auf „Pull“ umgestellt habe.
Immer wollen wir informiert bleiben. Am besten überall und jederzeit – 24/7 mit jedem in der Welt connected. Mit unseren Smartphones ist das auch nicht wirklich schwer. Jede App sendet uns eine Benachrichtigung, wenn was neues passiert. Und schon passiert das, wovon jeder Entwickler träumt: die App hat sofort Deine Aufmerksamkeit. Wenn das bei dir nicht der Fall ist, Glückwunsch: dann hintergehst Du die gemeinen Algorithmen in den Apps. Bei den meisten ist es aber nicht so – ja, das Smartphone kann einen selbst kontrollieren.
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Der Grund für mein Experiment: Es hat schon genervt
Mich hat es in letzter Zeit immer mehr genervt, abgelenkt zu werden. Ausnahme: beim Lernen nicht, da habe ich es sowieso meist auf Flugmodus und weg liegen. Zugegeben: manchmal erwische ich mich aber selbst, wo das nicht so ist. Aber im Alltag eigentlich nicht – auch da kann man mitten im Tag oder sogar von seiner guten Laune abgelenkt werden. Vieles ist bei mir passiert – bei jeder Benachrichtigung über dieses eine Thema, sofort wieder alles im Kopf. Scheiße, schon wieder abgelenkt. Mist, schon wieder schlecht gelaunt. Schluss damit, Reißleine ziehen, einfach mal einen Tag komplett ungestört und stressfrei sein.
Die letzten Monate war ich „gezwungen“ komplett ohne Snapchat (meine Odyssee damit habe ich bereits hier niedergeschrieben), mittlerweile wieder mit. Mehr Benachrichtigungen waren also vorprogrammiert. Jetzt, wo ich es Monate nicht hatte, stört es mich auf einmal, dauernd über etwas informiert zu werden. Ich habe jetzt einfach den Versuch gewagt, und einen Tag lang allen Benachrichtigungen den Garaus gemacht.
Vorbereitung: Benachrichtigungen aus – von „Push“ auf „Pull“
Vor meinem Experiment habe ich auf meinem Smartphone alle Benachrichtigungen abgeschaltet. In meinem Fall ging das ganz einfach. Einfach in den Einstellungen unter „Benachrichtigungen“ über die Stapelverwaltung alles mit einem Schlag abgeschaltet. Je nach Smartphone kann dies natürlich abweichen. Grundsätzlich geht es aber darum, alle Benachrichtigungen von Apps mit Push-Notifications abzudrehen.
So, erledigt.
Ab sofort bin ich von „Push“- auf „Pull“-Modus. Heißt im Endeffekt folgendes: da man trotzdem irgendwie nicht auf seinen kleinen Begleiter verzichten möchte (kompletter Handy-Entzug funktioniert bei den meisten sowieso nicht, das wissen wir alle), habe ich mir einen Plan überlegt. Einen guten Input dafür hat mir der Blogpost von Fabian von „Willhaben“ gegeben. An meinem Experiment-Tag habe ich mir somit vorgenommen, selbst meine Benachrichtigungen zu checken (=“Pull“). Je nachdem, ob ich gerade wusste, dass ich gleich ein wichtiges Mail oder eine Nachricht erhalten werde. Dann habe ich etwas öfters geschaut. Wenn nicht, liegt es einfach da – meckert nicht wegen neuen Benachrichtigungen, nervt mich nicht. Dann schaue ich seltener drauf.
Wenn jetzt wer sagt: „Ach, spätestens alle 60 Minuten die Benachrichtigungen checken, du bist ja komplett süchtig!!“ – Naja, probiert es selbst, mal eine Stunde lang bewusst nicht drauf zu schauen. Noch dazu wenn ihr wisst, dass die Benachrichtigungen abgeschaltet sind und ihr eventuell was verpassen könntet – ohoh. Eine Steigerung gibt es natürlich, das Intervall zu vergrößern und noch seltener das Handy zu checken – werde ich auch definitiv für die Zukunft probieren.
Durch den Tag: Nichts los?
Es geht los. Aufstehen.
Normalerweise würden bei mir nach dem Deaktivieren des Flugmodus jetzt die Benachrichtigungen sozusagen runterrasseln – ja, tatsächlich. Facebook weiß was neues, auf Instagram hat ein Freund einen Beitrag kommentiert, in dem ich markiert wurde; achja, und Snapchat hat auch noch ein paar neue Sachen für mich. Öhh, und die lieben Newsletter gemischt mit ein paar anderen E-Mails der letzten Nacht möchten auch noch gelesen werden, die WhatsApp-Nachrichten in der Gruppe auch noch – jetzt, am liebsten sofort. Da geht es schon los mit der Ablenkung. Auch wenn ich nicht direkt alles checke, weil ich das dann meistens in den Öffis tue, nervt es irgendwie trotzdem.
An diesem Tag war es dann eben anders – keine einzige Benachrichtigung. Keine Internetverbindung? Haben die alle auf mich vergessen? Nein, nein, nichts davon – alles wäre vermutlich so wie immer, nur in diesem Moment eben stummgeschaltet. Nach dem typischen Morgenritual habe ich im Bus dann die Apps manuell gecheckt, war auch okay. Einen Tag später habe ich dann bemerkt, dass ich den kompletten Tag lang vergessen habe in Facebook zu schauen, weil es sich ja nie bei mir gemeldet hat – oh mein Gott. Und, was habe ich verpasst? Nichts.
Die anderen hassen es, wenn Du etwas verpasst
Oh ja, das stimmt. Lass dir mal von jemandem was auf WhatsApp schicken – meist antwortest du darauf (in der Regel zumindest) innerhalb einer Stunde. Dann schalte mal deine Push-Benachrichtigungen aus und bekommst es nicht mit, wenn genau das geschieht. Und genau dann passiert es schon: jemand hat dir etwas wichtiges geschickt, du liest es zu „spät“ – „Schaust du denn nie aufs Handy?“ heißt es dann.
In unserer Gesellschaft erwarten wir von einer Person, dass sie antwortet – nicht nur antwortet, sondern schnell antwortet. Das macht uns aber selbst wahnsinnig. Ich erwische mich oft selbst dabei. Aber wieso wollen wir das? Genau, weil wir selbst schnell antworten. Wieso schreiben wir denn anderen auf WhatsApp oft wichtige, zeitnahe Dinge? Richtig – weil wir davon ausgehen, dass sie es sowieso in wenigen Augenblicken lesen wird. Anrufen ist da oft nicht mehr notwendig.
Nehmen wir uns selbst vor, uns beim Antworten etwas mehr Zeit zu lassen (oder wir bekommen es sowieso nicht mit, dass wer geschrieben hat), haben wir selbst auch keine so hohen „Erwartungen“. Probiert es einfach. Es tut gut.
Ich habe mir während meines Experiments auch gedacht, die Benachrichtigungen für einige Apps explizit freizugeben – genau damit das nicht passiert. Dennoch habe ich es gelassen. Verpassen wir echt was? Ist es wirklich so wichtig?
Insgesamt: Weniger „Grundrauschen“ ohne Benachrichtigungen
Was mir aber nach wenigen Stunden aufgefallen ist: ohne Push-Benachrichtigungen am Sperrbildschirm ist es sofort weniger verlockend, auf das Smartphone zu schauen. Logisch – man weiß ja nicht, ob sich gerade was tut oder nicht. Auch wenn ich es anfangs trotzdem nicht geglaubt habe, dass es was bringt (weil man ohne Benachrichtigungen ja dann erst recht alle Apps nachschaut) – es hat was gebracht. Die Anzahl der Entsperrungen pro Tag hat sich bei mir deutlich reduziert. Mein Benachrichtigungscheck-Rythmus hat sich geändert. Lässt sich auch so erklären: man checkt seltener sein Smartphone, wenn aber, dann gleich mehrere Sachen.
Klingt nach einem Kompromiss – für mich aber nicht. Mir ist es lieber, seltener aber dafür etwas länger auf mein Handy zu schauen, gleichzeitig weniger abgelenkt zu werden, als wie öfters aber dafür kürzer und immer wieder auf mein Handy zu schauen.
Habe ich schon erwähnt, wie lange ich das „Experiment“ dann letztendlich durchgezogen habe? Keine 24 Stunden. Eine ganze Woche lang. Es scheint also zu wirken und mir selbst gut zu tun, weshalb ich das von einem Tag, auf einen nächsten Tag, auf den weiteren Tag und dann auf eine Woche verlängert habe. Seit einigen Tagen habe ich meine Push-Benachrichtigungen als Vergleich wieder komplett eingeschalten. Und ja, es nervt mich schon wieder. Wird wohl Zeit, meinen eigenen Artikel selbst durchzulesen und das Experiment zu wiederholen.
Das Wichtigste ist einfach, damit anzufangen und sich nicht etwa einen Jahresvorsatz mit „weniger am Handy“ zu nehmen. Du weißt ganz genau, dass es nicht funktioniert 😉
Was sagt ihr dazu? Habt ihr Euch in dem Artikel selbst wiedererkannt?